Das Schloss auf der Potsdamer Pfaueninsel hat nie den Zweck erfüllt, für den es erbaut wurde. Ein Lustschloss sollte es werden; ein Wochenenddomizil, das Friedrich Wilhelm II. für sich und seine Geliebte Wilhelmine Enke plante. Aber als das Liebesnest 1797 fertiggestellt wurde, waren die beiden längst kein Liebespaar mehr – und der preußische König nur wenige Monate später tot. Doch Zeit seines Lebens war Wilhelmine Enke, ebenfalls bekannt als Madame Ritz und Wilhelmine von Lichtenau, trotz zahlreicher Intrigen seine engste Vertraute geblieben. Bereits 1777, noch als Prinz, ließ er sie zur offiziellen Mätresse erheben – mit einem eigenen Landhaus in Charlottenburg. Fast zwanzig Jahre später verlieh er ihr einen Adelstitel.
„Auch bei der Gestaltung des Pfaueninsel-Schlosses gehört Wilhelmine Enke zu den zentralen Figuren“, sagt Susanne Evers. Die Kunsthistorikerin und Kustodin für Textilien der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg hat die Renovierung des Anwesens begleitet. Aber wer war diese beste Freundin des preußischen Königs, die das Innere des Anwesens mit frühklassizistischen Möbeln nach englischem Vorbild und ausgewählten Papier- und Seidentapeten, mit feinen Gipsarbeiten an den Wänden, Schnitzereien und Holzfußböden füllte? War sie womöglich die erste deutsche Interior Designerin?
Pro forma wurde Wilhelmine Enke mit dem Kammerdiener Johann Friedrich Ritz verheiratet, der anfangs die Aufträge des Königs an den für den Bau des Pfaueninsel-Schlosses verantwortlichen Hofzimmermeister Johann Gottlieb Brendel weitergab. Doch bald nahm ihm Wilhelmine das Zepter aus der Hand. Ob sie mit den ästhetischen Entscheidungen ihrer beiden Männer unzufrieden war? Auf jeden Fall damit, dass die Fassade mit dunkler Borke verkleidet werden sollte: „Das war schon vom König abgesegnet“, erzählt Susanne Evers. Doch davon wollte Wilhelmine nichts wissen. Sie setzte stattdessen eine weiß gestrichene Holzverkleidung mit imitiertem Mauerwerk durch.
Für die Wände der zwei kreisrunden Zimmer im Erd- und Obergeschoss ließ Wilhelmine Stühle und Bilderrahmen anfertigen. In anderen Räumen zitierte sie Ideen der Antike mit in die Wand geschnitzten Säulen oder ließ Papiertapeten mit Bambus- und Vogeldekor anbringen. Letztere entfalten noch heute eine einzigartige Wirkung. „Die Papiertapeten sind in einem fantastischen Zustand, die Seidentapeten hingegen stark ausgeblichen“, erzählt Textil-Kustodin Susanne Evers. „Natürlich hätte man sie rekonstruieren können. Aber dann wäre eine komplett andere Raumsituation entstanden – etwas Neues, Buntes, Kräftiges. Das wollten wir nicht.“
Das Motiv des Vergangenen ist im Sinne der Romantik und wichtig für das Potsdamer Schloss: „Die Architektur sollte Vergänglichkeit ausstrahlen“, sagt Susanne Evers. Friedrich Wilhelm II. wollte, dass das Lustschloss aus der Ferne an ein verfallenes römisches Landhaus erinnert, denn hier sollte das Landleben imitiert werden, allerdings mit einer kleinen Dienerschaft, die in einem Häuschen nebenan kochte.
Wie Friedrich Wilhelm II. konnte auch Wilhelmine Enke kaum Zeit in dem von ihr gestalteten Schloss verbringen. Nach dem Tod des Königs ließ sein Sohn – der dritte Wilhelm – sofort wegen Hochverrats und Unterschlagung gegen sie ermitteln. Er warf ihr vor, seine Mutter in den Hintergrund gedrängt zu haben, konfiszierte ihr Vermögen und schickte sie 1800 ins Exil. Erst gut zehn Jahre später wurde die Mätresse seines Vaters vollständig rehabilitiert und durfte nach Berlin zurückkehren.
1820 starb Wilhelmine Enke, die ihre Zeit im Exil mit einem 26 Jahre jüngeren Theaterdichter verbracht hatte. Das Schloss hat all seine berühmten Bewohner überlebt. Es thront am Wasser, als wäre nie etwas passiert.