HARRY THALER IST EIN ALLES-KÖNNER. Er entwirft Möbel, Leuchten, Fahrräder, Häuser, Hotels. Und er erkennt Möglichkeiten, die andere nicht sehen. Davon erzählen seine neusten Arbeiten aus Holzabfällen und sein Atelier, ein ehemaliges Sägespäne-Silo: „Ich habe nebenan ein Ladenlokal für Pur Südtirol gestaltet, eine Lebensmittel- und Restaurantkette, die ausschließlich mit Südtiroler Produkten handelt. Dabei fiel mir dieser Turm ins Auge.“ Zu diesem Zeitpunkt war das Gebäude noch ein roher, fensterloser Betonklotz. Doch das änderte sich, als Thaler ihn anmietete: „Wir haben große Fenster nach Süden, Westen und Osten eingebaut, sodass wir nun zu jeder Tageszeit viel Licht und schöne Ausblicke auf die umliegenden Berge und Täler haben.“
Im Erdgeschoss: der Werkraum mit den Prototypen. Hier stehen zwei massive Holzsessel mit abgerundeten Kanten, die der Designer gerade für drei neue Suiten des Miramonti Hotels in Meran entwickelt hat, und an den Wänden Regale mit Materialproben: Holz, Marmor, Aluminiumgitter, Terrazzo. Davor ein Stuhl, der an einen umgestülpten Tiroler Hut aus grauem Filz erinnert.
Der gebürtige Meraner ging bei einem Goldschmied in Lana in die Lehre und anschließend nach Pforzheim, um an der berühmten Goldschmiedeschule seinen Meister zu machen. Dort angekommen war es dann aber die Fachhochschule, nur wenige Schritte von seiner Ausbildungsstätte entfernt, die ihn zu Gedankenspielen inspirierte. Und so kehrte Thaler ohne Meisterprüfung zurück, um an der Universität Bozen Produktdesign zu studieren. „Dann bin ich achtmal durch die Englischprüfung gerasselt“, erinnert er sich grinsend. Das hinderte ihn jedoch nicht daran, später am Royal College of Art vorstellig zu werden. Er schaffte die Aufnahmeprüfung an der renommierten britischen Kaderschmiede. Seine Masterarbeit: ein Stuhl, gebogen aus einem einzigen Stück Aluminium.
Inzwischen ist der „Pressed Chair“ ein ikonisches Möbelstück. Ein Exemplar in Alu steht auf dem hohen Regal, ein weiteres in Feuerrot wartet auf der zweiten Etage. Der Designer bittet noch ein Stock höher. Hier, in seinem Büro mit Blick auf die Dolomiten, erübrigt sich die Frage, warum er aus London in die Heimat zurückgekehrt ist: „Wir haben hier einfach alles!“ Thaler weist in Richtung Bergpanorama. Seine Geste scheint sie miteinzuschließen, die hiesigen Handwerker, die Materialien – und die Kunden.
An der Wand hängen Skizzen, auf dem Sideboard steht ein Modell der „Monti-Suiten“, die er entworfen hat. „Ich bin kein Architekt, das Projekt war eine große Herausforderung“, sagt er und strahlt trotzdem. Nun aber muss er los, ein Termin mit einer Stoffagentin aus Venedig steht an. Thaler klopft sich den Holzstaub von den Hosenbeinen. Das Glück ist mit den Emsigen.
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